Uwe Altrock, Nico Grunze und Sigrun Kabisch haben 2018 einen Sammelband zu den Perspektiven ostdeutscher Großwohnsiedlungen herausgegeben („Großwohnsiedlungen im Haltbarkeitscheck“, Verlag Springer VS). Galten die ostdeutschen Großwohnsiedlungen bei ihrer Gründung als Allheilmittel zur Lösung der Wohnungsfrage, wurden sie in den Wendejahren zum „bad boy“ des Wohnungsmarktes. Hohe Leerstände waren die Folge, die im Rahmen des Programms „Stadtumbau Ost“ zu einem teilweisen Rückbau führten. . Steht jetzt – vor allem in Städten mit angespannten Wohnungsmärkten – eine Renaissance der Großwohnsiedlungen vor der Tür? In 14 Aufsätzen gehen renommierte Autoren verschiedenen Aspekten der aktuellen und zukünftigen Entwicklung der Großwohnsiedlungen nach. Deutlich wird, dass die Siedlungen sehr unterschiedliche Wege gehen (werden).
Tobias Jacobs, Gründer von Timourou, geht in diesem Buch der Frage nach, welche Rolle die Großwohnsiedlung im Gesamtwohnungsmarkt insbesondere in Konkurrenz zu anderen Stadtquartieren spielt. Gestützt auf empirische Analysen sowie Erfahrungen aus fast 20 Jahren Stadtumbau kommt er zu dem Schluss, dass die Zukunft der ostdeutschen Großwohnsiedlungen von zwei Rahmenbedingungen abhängt, nämlich,
- ob der Gesamtwohnungsmarkt der Stadt wächst oder schrumpft und
- wie groß die Zahl der Wohnungen in industrieller Bauweise gegenüber der in Altbauten ist.
Je nach Kombination übernimmt die Großwohnsiedlung eine unterschiedliche Rolle im lokalen Wohnungsmarkt, wobei vier typische Ausprägungen beschrieben werden können:
- die „stabile Großwohnsiedlung“ – in stabilen oder angespannten Wohnungsmärkten festigen sich die Großwohnsiedlungen über ein konkurrenzfähiges Preis-Leistungs-Verhältnis und einer großen Versorgungsbedeutung für das preiswerte Segment (zum Beispiel Leipzig-Paunsdorf Jena-Lobeda).
- die „Zuzugsverlierer“ – in Städten mit Sterbeüberschüssen einerseits und Wanderungsgewinnen andererseits sowie einem relativ hohen Altbauanteil kommt es sukzessive zu einer Verschiebung der Marktanteile zu Lasten der Großwohnsiedlungen. Dort werden die Leerstände weiter steigen, durch Bestandsinvestitionen können aber auch in Teilbereichen Nachfrager im mittleren Preissegment gewonnen werden (zum Beispiel Halle-Neustadt, Brandenburg-Hohenstücken).
- die „stark schrumpfende Großwohnsiedlung“ – in schrumpfenden Städten sind die Großsiedlungen überproportional von der Schrumpfung betroffen, weiterer Rückbau ist zu erwarten (zum Beispiel Zwickau-Neuplanitz, Zeitz-Ost).
- die „ehemalige Großwohnsiedlung“ – in schrumpfenden Städten mit einem sehr hohen Anteil an Wohnungen in industrieller Bauweise kommt es zu umfangreichen Rückbauten und zu einer Konkurrenz der Quartiere innerhalb der Großwohnsiedlungen hinsichtlich Wohnlagen und Wohnqualitäten. Zwar lassen sich Mikrolagen stabilisieren, die Großwohnsiedlung als städtebauliches Ganzes wird nicht kleiner, sondern löst sich in kleine verbleibende Quartiere auf (zum Beispiel Frankfurt/Oder-Neuberesinchen).
Mehr Informationen: https://www.springer.com/de/book/9783658185787